Ein Jubiläum leider ohne Feierlichkeiten

Mit dem Jahr 2021 geht auch das 75. Jahr in der Geschichte unseres Ortsverbandes zu Ende. Die Situation der Corona-Pandemie verhinderte leider über das ganze Jahr hinweg dieses Jubiläum mit öffentlicher Wahrnehmung zu feiern. Umso mehr ist es angebracht noch einmal auf die Zeit vor 75 Jahren zurückzublicken. Vor allem, weil das Jahr 1946 insgesamt als ein demokratiehistorisches Jahr in die Nachkriegsgeschichte eingegangen ist. Auf die vorausgegangene Diktatur folgte beim Start in die Demokratie gleich ein „Superwahljahr“. Auch in Gersthofen gingen die Bürgerinnen und Bürger zu vier Abstimmungen an die Wahlurnen. Für den damals jungen CSU-Ortsverband Gersthofen gleich eine echte Bewährungsprobe und große Herausforderung.

 
Von Januar bis Dezember vier Wahlentscheidungen
Kommunalwahlen, Landtagswahl, Volksentscheid

Nach einem durch die NS-Diktatur zwölfjährigen staatlich verordneten Zwangsverzicht wurden die bayerischen Bürgerinnen und Bürger vor 75 Jahren innerhalb eines Jahres gleich vier Mal zu demokratischen Abstimmungen an die Wahlurnen gerufen. Im Jahr 1946 fanden seit dem Jahr 1933 erstmals nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in den Kommunen und landesweit wieder freie Wahlen statt. Nach den Gemeindewahlen am 27. Januar 1946, der Kreistagswahl am 28. April 1946 und der Abstimmung am 30. Juni 1946 zur Zusammensetzung der Verfassungsgebenden Landesversammlung war am Wahltermin 1. Dezember 1946 der bayerische Wähler zu einer doppelten Stimmabgabe aufgerufen. Zu entscheiden war über die Zusammensetzung des ersten Bayerischen Landtages und die Abstimmung über den Volksentscheid über die Bayerische Verfassung.

Am 1. Dezember 1946 Landtagswahl und Volksentscheid

In Gersthofen im Stimmkreis Augsburg-Land waren am 01. Dezember 1946 insgesamt 2.968 Einwohner wahlberechtigt; davon 1.804 (!) weiblich und 1.164 männlich. Als Besonderheit dieses Wahltages ist aus dem Wahlprotokoll zu entnehmen, dass 326 Wählerinnen und Wählern, demnach zehn Prozent, wegen Nazizugehörigkeit die Wahlberechtigung untersagt wurden. Bei dieser Wahl hatte jeder Wähler eine Stimme.

CSU-Kandidat Albert Kaifer wurde in den Landtag gewählt

Bei der Wahl zum Landtag entfielen in Gersthofen von den 2.204 gültigen Stimmen auf Albert Kaifer, Neusäß, (CSU) 854 Stimmen (39%), August Ulrich, Göggingen, (SPD) 823 (37%), Karl Wiedemann, Augsburg, (KPD) 136 (6%), Julius Höllerer, München, Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung 325 (15%) und Karl Dieminger, Welden, (FDP) 66 (3%) der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag in Gersthofen knapp unter dem Landesdurchschnitt bei 74 Prozent. Über den Wahlkreis Schwaben wurde in den 1. Bayerischen Landtag der Neusäßer Bürgermeister und spätere Landrat Albert Kaifer (1948 – 1962) gewählt. Kaifer gehörte dem Bayerischen Landtag als Abgeordneter des Stimmkreises Augsburg-Land und Wertingen bis 1954 an.

Das Ergebnis vom 01. Dezember 1946 auf Landesebene: CSU (52,29%), SPD (28,60%), WAV (7,39%), KPD (6,07%), FDP (5,65%). Bei absoluter Mehrheit der CSU wurde Dr. Hans Ehard (CSU) zum Bayerischen Ministerpräsidenten gewählt. Das gebildete Koalitionskabinett aus CSU, SPD und WAV hatte keine lange Lebensdauer. Ende war im September 1947.

Bei 54 Prozent hielt sich in Gersthofen
die Zustimmung für die Bayerische Verfassung in Grenzen

Auch über die von der am 30. Juni 1946 gewählten Verfassungsgebenden Landesversammlung beschlossene Bayerische Verfassung wurde über deren Annahme am 01. Dezember 1946 in einem Volksentscheid abgestimmt.

Auf die auf dem Stimmzettel formulierte Frage: „Billigen Sie die von der Verfassungsgebenden Landesversammlung beschlossene Bayerische Verfassung?“ antworteten mit gültigen Stimmen 1.300 Gersthofer Wähler mit „Ja“ (60 Prozent) und 862 mit „Nein“. Elf Prozent, das waren 257 Wähler, machten ihren Stimmzettel ungültig. Berücksichtigt man beim Wahlverhalten auch die ungültigen Stimmen, dann erhielt die Verfassungsvorlage in Gersthofen eine Zustimmung von 54 Prozent; das bayernweite Ergebnis lag bei 70,6 Prozent. Somit hat sich am 01. Dezember 1946 das bayerische Volk am Ende eines demokratiehistorischen Jahres selbst eine Verfassung gegeben